Konzept zu unserer traumapädagogisch orientierten sozialen  Gruppenarbeit für Kinder und Jugendliche nach hochbelastenden Lebensereignissen und während herausfordernder Lebensumstände

TORTUGA - Praxis für Trauma und Sozialpädagogik GbR

Aus unseren beruflichen Erfahrungen als Sozialpädagoginnen im Bereich ambulanter Jugendhilfe, Psychosozialer Beratung und sozialer Gruppenarbeit resultierend haben wir uns dazu entschieden  den freien Träger der Jugendhilfe TORTUGA - Praxis für Trauma und Sozialpädagogik GbR zu gründen und traumapädagogisch orientierte soziale Gruppenarbeit in Stolberg für Kinder und Jugendliche unter dem Namen Tortuga zu etablieren.

Kinder und Jugendliche mit auffälligem oder herausforderndem Verhalten haben in der Regel dieses Verhalten entwickelt als individuell notwendige Überlebens- und Bewältigungsstrategien unter seelisch hochbelastenden Lebensereignissen. Diese jungen Menschen handeln aus gutem Grund.

Verstehens- und Erfahrungsprozesse im Rahmen einer qualifiziert traumapädagogisch begleiteten kleinen und geschützten Gruppe bewirken Entlastung, Stabilisierung und das Entwickeln positiver Regulationsmöglichkeiten bei Kindern und Jugendlichen. 

Tortuga setzt konsequent die Grundhaltung traumsensiblen Arbeitens - nämlich die Annahme des guten Grundes, Wertschätzung, Transparenz, Partizipation, Spaß und Freude - in der Arbeit mit jungen und erwachsenen Menschen um.

Wir arbeiten mit Kindern und Jugendlichen, die - bestätigt oder vermutet - beeinflusst sind durch seelisch belastende Lebensereignisse, z.B.:

  • Auswirkungen von Suchterkrankung naher Bezugspersonen 
  • Auswirkungen von psychischer Erkrankung naher Bezugspersonen
  • Körperlicher und/oder psychischer Gewalt selbst ausgesetzt gewesen sein
  • Körperliche und/oder psychische Gewalt an nahen Bezugspersonen beobachtet haben
  • Entwicklungstraumata 
  • Wenn eine körperliche Erkrankung auch die Seele belastet (hat)
  • Deprivationserfahrungen, auch und besonders, wenn diese in der ganz frühen Kindheit lagen
  • Beziehungsabbrüche oder -verluste, wenn also wichtige Menschen verloren gegangen sind oder etwas wichtiges „genommen“ wurde
  • Wenn sich nach Trennung starke Loyalitätskonflikte ergeben; Kinder sich also hin- und hergerissen fühlen
  • Unsichtbare seelische Verwundungen das Leben belasten und das Glücklichsein schwer machen   etc.

Seelische Verletzung (Psychotrauma) durch hochbelastende Lebenserfahrungen geht einher mit überwältigenden Gefühlen von Angst & Scham, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Psychotraumata wirken, wenn nicht integriert, massiv in der Gegenwart und können destruktive Bewältigungsmechanismen für den betroffenen Menschen notwendig machen. Jeder betroffene Mensch handelt dann im Kontext seines individuellen guten Grundes.

Sehr frühe Psychotraumata wirken um so massiver, da Betroffene nicht auf eine bildhafte Erinnerung zur Einordnung unerklärbarer Gefühle zurückgreifen können.

Kinder und Jugendliche unserer Zielgruppe können bereits durch destruktive Bewältigungsstrategien bzw. Traumafolgestörungen im sozialen Umfeld auffallen oder prognostisch soll die Entwicklung destruktiver Bewältigungsstrategien vermieden werden. 

Destruktive Bewältigungsmechanismen unserer Teilnehmer:innen sind beispielsweise:

  • Hyperarousal bzw. Symptome von AD(H)S
  • Symptome aus dem Autismusspektrum
  • Überangepasstheit
  • Impulsivität
  • Oppositionelles Verhalten
  • Regulationsstörungen
  • Schlafstörungen
  • Dissoziationen
  • Depression
  • Vermeidungsverhalten
  • Enuresis und Enkopresis
  • Selbstverletzung
  • Verändertes Essverhalten      etc.

Der Fachverband Traumapädagogik beschreibt: „Die Teilhabe an der Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen zählt zu den wichtigsten Einflussfaktoren, die zu seelischer Gesundheit führen. Kinder und Jugendliche bilden eine positive Motivation vor allem dann aus, wenn sie Erfahrungen auf folgenden Ebenen machen:

  • Erleben von Autonomie: „Ich kann etwas entscheiden.“
  • Erleben von Kompetenz: „Ich kann etwas bewirken.“
  • Erleben von Zugehörigkeit: „Ich gehöre dazu und werde wertgeschätzt.“

Unser Gruppenangebot Tortuga greift diese Einflussfaktoren auf und leitet traumasensibel begleitend persönliche Entwicklung her durch soziales Lernen in der Gruppe und Psychoedukation. 

Die Teilnahme an Tortuga fördert die Resilienz der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen:

  • Sie lernen, sich selbst besser zu verstehen 
  • Sie erleben, sich verstanden zu fühlen
  • Sie lernen, sich in der Gruppe zu verstehen 

und ermöglicht korrigierende Erfahrungen:

  • Vom äußeren sicheren Ort zu innerer Sicherheit
  • Personale Sicherheit leitet korrigierende Beziehungserfahrungen her
  • Selbstbemächtigung

durch:

  • raus aus der Einsamkeit und sich mit seinen Problemen nicht alleine fühlen
  • Wissen und Sicherheit darüber erlangen, was mit mir selbst los ist
  • Erkenntnisgewinn: „normal“ zu sein (Ich bin normal, die belastenden Erfahrungen waren/sind überhaupt nicht normal), es gibt einen gewichtigen Grund mich so zu verhalten bzw. so zu sein
  • Regulierende gute Erfahrungen machen: Ruhe, Vertrauen können, Zuverlässigkeit, gute Gemeinschaft, emotional sicheren Rahmen erleben
  • Positive individuelle Regulationsmechanismen entwickeln 
  • lernen das Zepter in der Hand zu halten und das Selbstbewusstsein stärken im Sinne von Selbstbemächtigung

Ziel ist die Herleitung von Fähigkeiten der Teilnehmenden für eine konstruktive Alltagsgestaltung: 

  • zu vertrauen
  • sich einlassen können
  • Beziehungen authentisch und auf Vertrauen basierend leben können
  • Selbstbemächtigung erleben

durch:

  • Stärkung des Selbstbewusstseins
  • Individuelle Entwicklung im emotionalen und psychosozialen Bereichen
  • Selbsterleben in der Beziehung zu anderen
  • Bewusstsein über Regeln und Solidarität in der Gruppe
  • Partizipieren von Erfahrungen anderer
  • Teilhabe an der Gruppe als handlungsfähige Persönlichkeit, Aushalten und Lösen von Konflikten
  • Psychoedukatorisches Wirken der vermittelten thematischen Bandbreite
  • Das Angeeignete außerhalb der Gruppe wirksam anwenden und brauchbar umsetzen

Tortuga bietet ein prozessorientiertes, offenes pädagogisches Format Sozialer Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII in Verbindung mit § 27 SGB VIII für vier bis sechs Kinder und Jugendliche  pro Gruppe im Alter von ca. 5 bis 17 Jahren. Die Gruppen sind altersdifferenziert und orientieren sich am Entwicklungsstand der Teilnehmer:innen.

 

Wenn ein Kind oder Jugendlicher eine unserer Gruppen besuchen möchte, stellen die Personensorgeberechtigten in der Regel  einen Antrag auf Hilfen zur Erziehung beim zuständigen Jugendamt (Hintergrund ist, das in der Regel das örtliche Jugendamt die Kosten für Hilfen zur Erziehung übernimm). Dieses nimmt Kontakt zur Leitung von TORTUGA - Praxis für Trauma und Pädagogik GbR (Frau Hardt oder Frau Zimmermann-Hardt) auf.

Gerne können sich Interessierte jederzeit zunächst auch direkt an Tortuga wenden um sich tiefergehend zu informieren.

Zuständige Sachbearbeiter:innen des Jugendamtes laden die Personensorgeberechtigten und Mitabeiter:innen von TORTUGA zu einem Hilfeplangespräch ein.

Die Teilnehmer:innen können unsere traumapädagogisch orientierte Soziale Gruppenarbeit besuchen, sobald uns die Bewilligung der Kostenübernahme durch das Jugendamt vorliegt.

 

Wenn gewünscht können unsere Gruppen auch selbst finanziert ohne Beteiligung eines Jugendamtes besucht werden. In diesem Fall nehmen nahe Bezugspersonen oder Personensorgeberechtigt direkt Kontakt zur Leitung von TORTUGA - Praxis für Trauma und Sozialpädagogik GbR (Frau Hardt oder Frau Zimmermann-Hardt) auf.

 

Die Teilnahme an der Gruppe muss für das Kind oder den Jugendlichen freiwillig sein bzw. ein Einlassen auf angeleitete Vertrauensanbahnung muss möglich sein: Der Teilnehmer und die Teilnehmerin muss sich für ein „für“ entscheiden dürfen.

 

Wie geht es weiter, wenn ein Platz in einer unserer Gruppen sicher ist:

Zuerst führen wir ein Aufnahmegespräch mit dem Kind oder Jugendlichen und einer nahen Bezugsperson/eines Erziehungsberechtigten durch. Bei diesem ersten Gespräch lernen wir uns kennen, schaffen Transparenz, Beantworten viele Fragen und erklären die Rahmenbedingungen.

Falls erforderlich ermöglichen wir danach bis zu drei traumapädagogisch-diagnostische Termine zur Annäherung des individuellen Bedarfes und für unser rekonstruktiv diagnostisches Verstehen des uns anvertrauten Kindes oder Jugendlichen.

Bei Kindern schließen zuständige nahe Bezugspersonen zusammen mit dem Kind - oder bei Jugendlichen diese selbst - einen Vertrag hinsichtlich Kooperation mit Tortuga.

 

Was es über unsere traumapädagogisch orientierte soziale Gruppenarbeit Tortuga noch wichtiges mitzuteilen gibt:

Das Angebot ist verankert in den Räumlichkeiten von TORTUGA - Praxis für Trauma und Sozialpädagogik GbR, Klatterstraße 31 - 33, 52222 Stolberg und findet wöchentlich über 2 Zeitstunden mit Begrüßungsphase, Arbeitsphase und Abschlussphase statt

Unsere traumapädagogisch orientierten Gruppen werden regelmäßig von zwei qualifizierten Fachkräften (davon mindestens eine Traumapädagogin) geführt, da die sozialpädagogische Arbeit im Tandem eine bessere Berücksichtigung von Interessen der Gruppe sowie individueller Bedürfnisse ermöglicht

Unsere traumapädagogisch orientierten Gruppen werden bedürfnisorientiert und strikt partizipatorisch geleitet, strukturiert und stabilisiert; sie ermöglichen Entwicklung von Ich-Stärke, Selbstbewusstsein und Selbstbemächtigung.

Die traumapädagogische Grundhaltung im Umgang miteinander wird von der Gruppenleitung konsequent umgesetzt:

  • Die Annahme des guten (gewichtigen) Grundes
  • Wertschätzung
  • Partizipation
  • Transparenz
  • Spaß und Freude

Unsere traumapädagogisch orientierten Gruppen bieten einen verlässlichen, strukturierten und emotional sicheren Rahmen, da wir wissen, dass die biografischen Gegebenheiten der Kinder und Jugendlichen Halt und Struktur notwendig machen.

Die Gruppenleitung bietet korrigierende verlässliche Beziehungserfahrungen.

Die räumlichen Gegebenheiten von Tortuga - Praxis für Trauma und Sozialpädagogik fungieren als äußerer sicherer Ort und ermöglichen die Herleitung innerer Sicherheit.

Methoden zur Reorientierung der Kinder und Jugendlichen im Notfall sind von der Gruppenleitung verinnerlicht und finden bei Bedarf sicher Anwendung.

 

In unserer traumsensiblen und traumapädagogisch orientierten sozialpädagogischen Arbeit setzen wir ein bewährtes methodisches Repertoire ein.

 

Nahe Bezugspersonen sind in das Angebot durch individuelle flankierende Elterngespräche gemeinsam mit den Kindern oder Jugendlichen - im Sinne größtmöglicher Transparenz - eingebunden. Diese Gespräche dienen vornehmlich der Psychoedukation mit dem Ziel ein Verständnis der Erwachsenen um die Situation der Kinder und Jugendlichen herzuleiten und dieses Verständnis bestenfalls multiplikatorisch an weitere wichtige Bezugspersonen weitergeben zu können.

Bei Bedarf werden unterstützend Metacom-Symbole nach Annette Kitzinger als bildbasierte Kommunikationshilfen eingesetzt. Metacom-Symbole bieten sich an bei z. B. situativer Sprachlosigkeit um mit Hilfe von leicht verständlichen Grafiken Begriffe, Handlungen und Gefühle darzustellen.

Themenbezogene Gesprächskreise als Angebot für Angehörige werden halbjährlich angeboten und laden nahe Bezugspersonen ein, sich einer traumsensiblen alltäglichen Haltung anzunähern, an psychoedukatorisch angeleiteten Verstehensprozess teilhaben zu können und sich moderiert auszutauschen.

Teambesprechungen führen wir  wöchentlich durch. Diese dienen einem sicheren Umgang mit  lebensgeschichtlichen Besonderheiten jeden Kindes und Jugendlichen und deren Entwicklungsprozessen. Methodisch zur Intervision setzen wir regelmäßig in den Teambesprechungen die Traumapädagogische Interaktionsanalyse zur Selbstreflexion, Strukturierung und Ergebnissicherung, sowie die Koordinaten psychosozialer Diagnostik nach Pauls als ordnendes und strukturierendes Instrument bezüglich der Ressourcen und Belastungen der Kinder und Jugendlichen.

Die Gruppenleitungen nehmen regelmäßig Supervision in Anspruch. Vorausgesetzt wird, dass Supervisoren bzw. Supervisorinnen traumapädagogisch qualifiziert sind und über eigene Erfahrung in der Arbeit mit seelisch hochbelasteten (psychotraumatisierten) Menschen verfügen. Supervidiert wird die Leitung von TORTUGA - Praxis für Trauma und Sozialpädagogik GbR  durch das  Institut für Trauma und Pädagogik in Mechernich.

© Sophie Hardt und Judith Zimmermann-Hardt     Stolberg im Juni 2025